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Die holzfladerei ist natürlich eine erfindung unseres jahrhunderts. Das mittelalter strich das holz vorwiegend grellrot, die renaissance blau, das barock und das rokoko im innern weiß, außen grün. Unsere bauern haben sich noch so viel gesunden sinn bewahrt, daß sie in absoluten farben streichen. Wie reizend wirken nicht auf dem lande das grüne tor und der grüne zaun, die grünen jalousien zu der weißen, frisch getünchten wand. Leider hat man sich schon in einigen ortschaften den geschmack unserer ausstellungskommission angeeignet.

Man wird sich noch der moralischen entrüstung erinnern, die im surrogat-kunstgewerbelager entstand, als die ersten in ölfarbe gestrichenen möbel aus England nach Wien kamen. Nicht gegen den anstrich wendete sich die wut dieser braven. Hatte man doch auch in Wien, sofern weiches holz verwendet wurde, mit ölfarbe gestrichen. Daß aber die englischen möbel wagten, ihre ölfarbe so frank und frei zur schau zu tragen, statt hartes holz zu imitieren, brachte diese sonderbaren heiligen in harnisch. Man verdrehte die augen und tat so, als ob man die ölfarbe überhaupt noch nie angewendet hätte. Vermutlich sind die herren der meinung, daß man ihre gefladerten möbel und bauarbeiten bisher für aus hartem holz gemacht angesehen hat.

Wenn ich mit solchen anschauungen aus der ausstellung der anstreicher keine namen nenne, glaube ich des dankes dieser genossenschaft sicher zu sein.

Auf die stukkateure angewendet, würde das prinzip der bekleidung lauten: Der stuck kann jedes ornament erhalten, nur eines nicht – das des ziegelrohbaus. Man sollte glauben, daß das aussprechen einer solchen selbstverständlichkeit unnötig sei, aber erst neulich hat man

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Adolf Loos: Adolf Loos – Sämtliche Schriften. Herold, Wien, München 1962, Seite 110. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loos_S%C3%A4mtliche_Schriften.pdf/109&oldid=- (Version vom 1.8.2018)