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möge sie nur immer tragen. Denn es wäre ein unsinn, menschen eine kulturform aufzuoktroyieren, die ihrem innersten wesen nicht entspricht. Tatsache ist, daß dem menschen auf der höhe der kultur die leinwand unbequem wird. Wir müssen also abwarten, bis uns österreichern auch die leinwand unbequem zu werden beginnt. Die zunehmende ausbreitung der leibesübungen, des sports, der aus England kommt, hat die abneigung gegen leinwandwäsche zur folge. Die gestärkte hemdbrust, kragen und manschetten sind dem sport übrigens auch hinderlich. Die ungestärkte hemdbrust ist die vorläuferin des ungestärkten kragens. Beide haben nur die aufgabe, dem trikothemd und dem flanellhemd die wege zu ebnen.

Die trikotwäsche bedeutet allerdings eine große gefahr. Eigentlich ist sie nur für leute bestimmt, die sich um des reinseins willen waschen. Viele deutsche aber erblicken im anlegen der gewirkten wäsche einen freibrief dafür, sich nicht mehr waschen zu müssen. Kommen doch aus Deutschland alle erfindungen, die das waschen ersparen sollen. Aus Deutschland kamen die zelluloidwäsche, die falsche hemdbrust, die krawatte mit angesetzter brust aus demselben stoffe. Aus Deutschland stammt die lehre, daß das waschen der gesundheit nicht zuträglich sei und daß man ein trikothemd jahrelang tragen könne – so lange es sich die umgebung nicht ernstlich verbietet. Der amerikaner kann sich den deutschen ohne blühend weiße, aber falsche hemdbrust gar nicht denken. Das beweist die karikatur des deutschen, die sich die amerikanischen witzblätter zurechtgelegt haben. Man erkennt den deutschen an dem zipfel der hemdbrust, der ihm immer bei der weste heraussieht. Nur noch eine zweite klasse von menschen trägt in der amerikanischen karikatur das

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Adolf Loos: Adolf Loos – Sämtliche Schriften. Herold, Wien, München 1962, Seite 118. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loos_S%C3%A4mtliche_Schriften.pdf/117&oldid=- (Version vom 1.8.2018)