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ein kleidungsstück, das bis zu den knien reicht, den gehrock.*)[1]

Der frau aus diesen kreisen wird eine reine erwerbstätigkeit noch nicht zugestanden. In den schichten, in denen sie das recht auf erwerb erlangte, trägt sie auch die hose. Man denke an die kohlengräberin in den belgischen schichten, an die sennerin der alpen, an die crevettenfischerin der nordsee.

Auch der mann mußte für das recht des hosentragens kämpfen. Das reiten, eine tätigkeit, die nur körperliche ausbildung, aber keinen materiellen gewinn erzielt, war die erste etappe. Dem blühenden, reitfreudigen rittertum des dreizehnten jahrhunderts haben die männer die fußfreie kleidung zu danken. Diese errungenschaft konnte ihnen das sechzehnte jahrhundert, in dem das reiten aus der mode kam, nicht mehr rauben. Die frau hat erst in den letzten fünfzig jahren das recht der körperlichen ausbildung erlangt. Ein analoger vorgang: wie im dreizehnten jahrhundert dem reiter, wird im zwanzigsten jahrhundert der radfahrerin das zugeständnis der fußfreien kleidung und der hose gemacht. Und damit ist der erste schritt zur gesellschaftlichen sanktion der frauenarbeit getan.

Das edle am weibe kennt nur die eine sehnsucht, sich neben dem großen, starken manne zu behaupten. Diese sehnsucht kann gegenwärtig nur erfüllt werden, wenn das weib die liebe des mannes erringt. Aber wir gehen einer neuen, größeren zeit entgegen. Nicht mehr die

  1. *) In England wird bei audienzen der königin, bei der Parlamentseröffnung, bei hochzeiten usw. der gehrock getragen, während man in den rückständigen staaten den frack bei den erwähnten anlässen auch am tage trägt.
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Adolf Loos: Adolf Loos – Sämtliche Schriften. Herold, Wien, München 1962, Seite 163. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loos_S%C3%A4mtliche_Schriften.pdf/162&oldid=- (Version vom 1.8.2018)