zu stehen. Alles in allem bildet die sonore mittellage mit dem dreifach gestrichenen C eine wirkungsvolle kadenz.“
Jawohl, es war eine leistung. Die vielen fachausdrücke mußten wohl oder übel imponieren.
Stolz begab ich mich nach hause, und schlief froh und glücklich ein. Am nächsten morgen – der zeitungsmann hatte wie immer den „New Yorker bannerträger“ vor die tür gelegt – las ich meinem anfangs noch schlafenden zimmergenossen, dem baron N., meine meisterleistung mit lauter stimme vor.
Der baron erwachte zusehends. Dann sagte er: „Ich weiß nicht, was mir fehlt. Aber ich höre ganz merkwürdige sachen. Vielleicht bin ich nicht ganz ausgeschlafen. Lies mir die geschichte noch einmal vor.“
Ich las noch einmal. Das gesicht des barons nahm den ausdruck des entsetzens an. Dann brach er los:
„Aber du dreimal gestrichener unglückswurm! Was hast du denn da angerichtet!“ Kurz, er schimpfte und nannte mich einen kretin.
Und nun erklärte er mir satz für satz. Langsam dämmerte mir die erkenntnis, daß ich mich blamiert hatte. Ich war vernichtet. Ich traute mich nicht mehr auf die gasse. Jedermann mußte mir meine schmach von der stirne ablesen. Und dann – ich erbleichte – die redaktion!
Der baron war schon lange in seine office gegangen. Ich brütete noch immer stumpf dahin. Es war elf uhr geworden. Der zeitungsmann brachte das abendblatt der „New Yorker staatszeitung“. Unser abendblatt erschien erst um halb zwölf uhr mittags. Die englischen abendblätter erscheinen gewöhnlich schon vor sonnenaufgang.
Adolf Loos: Adolf Loos – Sämtliche Schriften. Herold, Wien, München 1962, Seite 198. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loos_S%C3%A4mtliche_Schriften.pdf/197&oldid=- (Version vom 1.8.2018)