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abendländischen kultur bei einer bestimmten gelegenheit nicht auffällt.

Es ist nachmittag und ich freue mich, daß ich in meiner graugestreiften hose, meinem gehrock und meinem zylinder nicht auffalle. Denn ich bummle im Hyde–park. Bummle und bin plötzlich in Whitechapel. Und falle wieder gehörig auf. Ich muß daher wieder eine einschränkung machen. Modern angezogen ist man nur dann, wenn man im mittelpunkte der kultur bei einer bestimmten gelegenheit in der besten gesellschaft nicht auffällt.

Nicht alle menschen erfüllen bei uns diese bedingungen. Denn sie werden uns sehr erschwert. In England bekennt sich alles zur abendländischen kultur. Bei uns und in den balkanländern nur die bewohner der städte. Da ist es schwierig, das richtige zu finden. Auch der staat selber zwingt uns zu fehlern. Die beamten – ich spreche vorläufig von denen, die keine uniform tragen – sind gezwungen, bei tage ihre audienzen und besuche in einem so lächerlichen gewande zu machen, daß sie darin nicht einmal über die straße gehen können, ohne ausgelacht zu werden. Der frack am vormittage muß selbst bei der größten hitze durch einen überzieher den spottenden blicken der passanten entzogen werden.

So geht es in den verschiedensten fällen. Im zweifel wende man sich an mich. Ich werde alle anfragen nach bestem wissen zu beantworten suchen.

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Aus einem alten amerikanischen witzblatte


Landstreicher (in einem zerrissenen gehrock und schuhen, aus denen die zehen herausgucken): Bitte um eine milde gabe!

Empfohlene Zitierweise:
Adolf Loos: Adolf Loos – Sämtliche Schriften. Herold, Wien, München 1962, Seite 238. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loos_S%C3%A4mtliche_Schriften.pdf/237&oldid=- (Version vom 1.8.2018)