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eventuellen käufers ihre leinwand bemalen. Aber künstler nennt man die nicht.

Eure wohnung könnt ihr euch nur selbst einrichten. Denn dadurch wird sie erst zu eurer wohnung. Macht das ein anderer, sei er maler oder tapezierer, so ist es keine wohnung. Es kommt dann höchstens heraus: eine reihe von hotelzimmern. Oder die karikatur einer wohnung.

Wenn ich eine solche wohnung betrete, so bedauere ich stets die armen menschen, die darin ihr leben verbringen.

Das also ist der hintergrund, den sich die leute für die kleinen freuden und die großen tragödien dieses daseins schaffen ließen?!! Das also?

Ach, diese wohnungen sitzen euch wie ein pierrotkostüm aus der maskenleihanstalt!

Möge nie der ernst des lebens an euch herantreten, daß ihr eurer geliehenen fetzen gewahr werdet!

Unter dem ehernen schritte des schicksals erstirbt eure prahlerei, die sich mit den modenamen der „angewandten künstler“ brüstet.

Heraus mit euren federn, ihr menschen- und seelenschilderer! Schildert einmal, wie sich geburt und tod, wie sich die schmerzensschreie eines verunglückten sohnes, das todesröcheln einer sterbenden mutter, die letzten gedanken einer tochter, die in den tod gehen will, in einem Olbrichschen schlafzimmer abspielen und ausnehmen.

Ein bild nur greift heraus: das junge mädchen, das sich den tod gegeben hat. Lang hingestreckt liegt es auf der diele des fußbodens. Die eine hand umklammert noch krampfhaft den rauchenden revolver. Auf dem tisch ein

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Adolf Loos: Adolf Loos – Sämtliche Schriften. Herold, Wien, München 1962, Seite 240. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loos_S%C3%A4mtliche_Schriften.pdf/239&oldid=- (Version vom 1.8.2018)