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Bei neuen formen sei man daher vorsichtig und wähle lieber die alten.

Genau so ist es beim teller. Wir fühlen feiner als die menschen der renaissance, die noch ihr fleisch auf mythologischen darstellungen schneiden konnten. Wir fühlen auch feiner als die menschen des rokoko, die sich nichts daraus machten, wenn die suppe durch das blaue zwiebelmuster eine unappetitliche grüngraue farbe bekam. Wir essen am liebsten von weißem grunde. Wir. Die künstler denken darüber anders.

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Aber die objekte der keramik dienen nicht nur zum kochen, essen und trinken. Sie dienen uns als fensterscheibe, als fliese, wand- und tischplattenverkleidung, als öfen oder kamine, als blumenvasen oder schirmständer. Und endlich kann sich der künstler des tones bedienen, um ihn zu formen, zu glasieren und zu brennen, weil er den drang in sich fühlt, menschen und tiere, pflanzen und steine so darzustellen, wie er sie sieht.

Einst saß ich mit einigen „angewandten künstlern“ im kaffeehause. Man sprach davon, eine keramische versuchsanstalt in der kunstgewerbeschule zu gründen. Ich war gegen alles, was die herren vorbrachten, und alle waren gegen mich. Ich vertrat den standpunkt des meisters, des einfachen arbeiters. Und sie vertraten den standpunkt des künstlers.

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Adolf Loos: Adolf Loos – Sämtliche Schriften. Herold, Wien, München 1962, Seite 254. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loos_S%C3%A4mtliche_Schriften.pdf/253&oldid=- (Version vom 1.8.2018)