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zuerst gefordert zu haben, aber freilich nicht für dergleichen.

Der moderne mensch, der das ornament als zeichen der künstlerischen überschüssigkeit vergangener epochen heilig hält, wird das gequälte, mühselig abgerungene und krankhafte der modernen ornamente sofort erkennen. Kein ornament kann heute mehr geschaffen werden von einem, der auf unserer kulturstufe lebt.

Anders ist es mit den menschen und völkern, die diese stufe noch nicht erreicht haben.

Ich predige den aristokraten, ich meine den menschen, der an der spitze der menschheit steht und doch das tiefste verständnis für das drängen und die not der unten-stehenden hat. Den kaffer, der ornamente nach einem bestimmten rhythmus in die gewebe einwirkt, die nur zum vorschein kommen, wenn man sie auftrennt, den perser, der seinen teppich knüpft, die slowakische bäuerin, die ihre spitze stickt, die alte dame, die wunderbare dinge in glasperlen und seide häkelt, die versteht er sehr wohl. Der aristokrat läßt sie gewähren. er weiß, daß es ihre heiligen stunden sind, in denen sie arbeiten. Der revolutionär würde hingehen und sagen: „es ist alles unsinn“. Wie er auch das alte weiblein vom bildstock reißen würde und sagen würde: „es gibt keinen gott“. Der atheist unter den aristokraten aber lüftet seinen hut. wenn er bei einer kirche vorbeigeht.

Meine schuhe sind über und über mit ornamenten bedeckt, die von zacken und löchern herrühren. Arbeit, die der schuster geleistet hat, die ihm nicht bezahlt wurde. Ich gehe zum schuster und sage: „Sie verlangen für ein paar schuhe dreißig kronen. Ich werde ihnen vierzig kronen zahlen.“ Damit habe ich diesen mann auf eine

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Adolf Loos: Adolf Loos – Sämtliche Schriften. Herold, Wien, München 1962, Seite 286. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loos_S%C3%A4mtliche_Schriften.pdf/287&oldid=- (Version vom 1.8.2018)