Darf ich sie an die gestade eines bergsees führen? Der himmel ist blau, das wasser grün, und alles liegt in tiefem frieden. Die berge und wolken spiegeln sich im see und die häuser, höfe und kapellen tun es auch. Nicht wie von menschenhand gebaut stehen sie da. Wie aus gottes werkstatt hervorgegangen sind sie, gleich den bergen und bäumen, den wolken und dem blauen himmel. Und alles atmet schönheit und ruhe ...
Da, was ist das? Ein mißton in diesem frieden. Wie ein gekreisch, das nicht notwendig ist. Mitten unter den häusern der bauern, die nicht von ihnen, sondern von gott gemacht wurden, steht eine villa. Das gebilde eines guten oder eines schlechten architekten? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, daß friede, ruhe und schönheit dahin sind.
Denn vor gott gibt es keine guten oder schlechten architekten. In der nähe seines thrones sind alle architekten gleich. In den städten, in dem reiche Belials, da gibt es feine nuancen, wie das eben in der art des lasters liegt. Und ich frage daher: Wie kommt es, daß ein jeder architekt, ob schlecht oder gut, den see schändet?
Der bauer tut das nicht. Auch nicht der ingenieur, der eine eisenbahn ans ufer baut oder mit seinem schiffe tiefe furchen in den klaren seespiegel zieht. Die schaffen anders. Der bauer hat auf dem grünen rasen den fleck, auf dem das neue haus sich erheben soll, ausgesteckt und die erde für die grundmauern ausgegraben. Nun erscheint der maurer. Ist lehmboden in der nähe, dann gibt es eine ziegelei, die ziegel herbeiführt. Wenn nicht, tuts
Adolf Loos: Adolf Loos – Sämtliche Schriften. Herold, Wien, München 1962, Seite 302. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loos_S%C3%A4mtliche_Schriften.pdf/303&oldid=- (Version vom 1.8.2018)