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INTERIEURS
Ein präludium
(5. juni 1898)


Rechts und links vom silberhof haben die tischler ihre erzeugnisse aufgestellt. Es sind kojen geschaffen worden und in diesen wurden musterzimmer aufgestellt. So geschieht es schon seit jahren bei jeder ausstellung. Dem publikum wird auf diese weise gesagt: So sollst du wohnen!

Das arme publikum! Selbst darf es sich seine wohnung nicht einrichten. Da käme ein schönes durcheinander heraus. Das versteht es ja gar nicht. Die „stilvolle“ wohnung, diese errungenschaft unseres jahrhunderts, verlangt ein außerordentliches wissen und können.

Das war nicht immer so. Noch bis zu anfang unseres jahrhunderts kannte man diese sorge nicht. Vom tischler kaufte man die möbel, vom tapezierer die tapeten, vom bronzegießer die beleuchtungskörper und so fort. Das stimmte aber doch nicht zusammen? Mag sein. Aber von solchen erwägungen ließ man sich auch gar nicht leiten. Damals richtete man sich so ein, wie man sich heute anzieht. Vom schuster nehmen wir die schuhe, vom schneider rock, hose und weste, vom hemdenfabrikanten kragen und manschetten, vom hutmacher den hut, vom drechsler den stock. Keiner kennt den andern, und doch stimmen alle sachen zusammen. Warum? Weil alle im stile des jahres 1898 arbeiten. Und so arbeiteten auch die handwerker der wohnungsindustrie in früheren zeiten alle in einem stile, in dem jeweilig herrschenden, im modernen.

Da geschah es auf einmal, daß der moderne stil in

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Adolf Loos: Adolf Loos – Sämtliche Schriften. Herold, Wien, München 1962, Seite 33. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loos_S%C3%A4mtliche_Schriften.pdf/32&oldid=- (Version vom 1.8.2018)