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kurz alle sanitären artikel, von den „künstlern“ verschont geblieben. Wohl gab es vereinzelte geschirre unter dem bette, die von künstlerhand mit rokokoornamenten verziert waren, aber sie waren selten. Und so war auch jene einzige tischlerarbeit – als nicht nobel genug – der „angewandten kunst“ entgangen.

Was war nun das wesentliche an dieser holzverkleidung?

Da muß ich bitten, ein paar worte über tischlertechnik sagen zu dürfen. Der tischler kann auf verschiedene art hölzer zu einer fläche zusammenfügen. Eine davon ist das system: rahmen und füllung. Zwischen dem rahmen und der füllung wurde als übergang eine profilierte leiste eingeschoben, oder der rahmen, da die füllung fast immer vertieft lag, mit einem profil, einer kehlung versehen. Ganz abrupt saß die füllung einen halben zentimeter hinter dem rahmen. Das war alles. Vor hundert jahren war es genau ebenso gewesen. Nun hatte ich die gewißheit, daß sich an dieser form nichts geändert hatte und daß alle die versuche, mit denen uns die wiener Secession und die belgische moderne jählings überfallen hatten, verirrungen waren.

An die stelle der phantasieformen vergangener jahrhunderte, an die stelle der blühenden ornamentik vergangener zeiten, hatte daher die reine, pure konstruktion zu treten. Gerade linien, rechtwinkelige kanten: so arbeitet der handwerker, der nichts als den zweck vor augen und material und werkzeug vor sich hat.

Ein kollege (er ist heute ein führender wiener architekt) sagte mir einmal: „Ihre ideen mögen ja für die billige arbeit gelten. Was machen sie aber, wenn sie einen millionär einzurichten haben?“ Er hatte von seinem

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Adolf Loos: Adolf Loos – Sämtliche Schriften. Herold, Wien, München 1962, Seite 345. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loos_S%C3%A4mtliche_Schriften.pdf/347&oldid=- (Version vom 1.8.2018)