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ANTWORTEN AUF FRAGEN AUS DEM PUBLIKUM
(1919)
Zur einleitung:
Vom kammerdienerdeutsch

„Sehr geehrter herr architekt! Herr architekt haben sicher schon bemerkt ...“, ja, was ist denn das!

Erstens bin ich für sie kein „herr architekt“, sondern der „herr Loos“. Sowohl im brief, als auch in der mündlichen anrede. Ich möchte den sehen, der einen schneider oder einen schuster außerhalb seines berufes statt mit „herr Müller“ oder „herr Schmidt“ stets mit „herr schneider“ oder „herr schuster“ ansprechen würde. Sie meinen, der vergleich hinkt, da doch ein schneider oder ein schuster etwas gewöhnliches sind, ein architekt aber etwas besonderes vorstellt. Obwohl ich durchaus anderer meinung bin, will ich mich doch auf ihren standpunkt begeben. Aber auch von diesem aus würde die anrede: herr maler, herr bildhauer oder herr komponist doch nur im intimsten kreise möglich sein und immer einen ironischen beigeschmack haben.

Und zweitens macht einen modernen menschen das kammerdienerdeutsch, also das deutsch, das im achtzehnten jahrhundert gesprochen wurde und heute nur erträglich ist, wenn der sprecher eine livree trägt, nervös. „Herr architekt haben bemerkt ...“, ja, wer kann das heute noch ertragen! Moderne kleidung tuts nicht. Man muß auch moderne manieren dazu haben und modernes deutsch dazu sprechen. Denn sonst wirkt man wie ein negerhäuptling in Zentralafrika, der sich für einen modernen

Empfohlene Zitierweise:
Adolf Loos: Adolf Loos – Sämtliche Schriften. Herold, Wien, München 1962, Seite 355. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loos_S%C3%A4mtliche_Schriften.pdf/357&oldid=- (Version vom 1.8.2018)