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Frage: Abschaffung der weste?

Antwort: Sie fragen, „warum wir die weste, dieses barocke kleidungsstück, nicht schon längst ausgemerzt haben?“ Nun, weil Rom nicht in einem tag erbaut wurde. Die weste stammt, wie sie richtig angeben, aus der barockzeit. Aber nichts ändert sich von heut auf morgen. Alles bleibt. Trotz dem elektrischen licht bleibt die kerze noch. Nur ihre verwendungsmöglichkeit wird begrenzt. Auch die weste ist nicht mehr so notwendig, wie vor zweihundert jahren. Der mann in der bluse braucht keine weste. Der mann im geschlossenen rock braucht keine weste. Von jahrhundert zu jahrhundert wurde der weste der boden entzogen. Und eines tages werden die letzte kerze und die letzte weste im museum zu sehen sein.


Frage: Hat die „arbeiterzeitung“ in bezug auf die modeausstellung recht?

Antwort: Die „arbeiterzeitung“ irrt, wenn sie das wort mode nur für die bekleidung, also die arbeit des schneiders, hutmachers, schusters angewendet wissen will. Das ist falsch. Mode ist der stil der gegenwart. Über jede sache, die einem mißfällt, sei es nun eine symphonie, ein drama, ein bauwerk, glaubt man ein vernichtendes urteil zu fällen, wenn man entrüstet ausruft: Das ist kein stil, das ist eine mode! Ganz richtig, in hundert jahren nennt man die mode der zeit ihren stil, ob es sich nun um damenhüte oder kathedralen handelt. (Auf dem maskenball erscheint frau X im stile des vierzehnten jahrhunderts, das mag noch angehen, aber bedenklicher ist es schon, wenn gotteshäuser nach mittelalterlicher mode gebaut werden.) Oder will man die bekleidungsgegenstände

Empfohlene Zitierweise:
Adolf Loos: Adolf Loos – Sämtliche Schriften. Herold, Wien, München 1962, Seite 370. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loos_S%C3%A4mtliche_Schriften.pdf/372&oldid=- (Version vom 1.8.2018)