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mit der bemerkung verächtlich machen, daß sie der veränderung unterliegen? Dann müßte man an kunstwerke den gleichen maßstab anlegen. Die verurteilung der „arbeiterzeitung“ gilt also nicht der mode, dem stile der gegenwart, sondern den bekleidungsgegenständen.

Nun ist es ja richtig, daß bei diesen viel überflüssige arbeit verbraucht wird. Aber nicht mehr als bei den übrigen gewerben. Im gegenteil: unsre kleidung ist, der anderer jahrhunderte gegenüber, weit einfacher geworden, was man von unsren häuserfassaden nicht behaupten kann. Man vergleiche die ruhigen, vornehmen alten wiener häuser mit dem ornamentenkrawall, den die neuen häuser von heute anstimmen. Und wer, wie ich, in wort und tat gegen das ornament auftritt, dem ergeht es wie – nun wie mir. Die ganze menschheit könnte sich ein besseres leben einrichten, wenn sie vom ornament, vom überflüssigen, lassen würde. Unsere schneider, unsere schuster und hutmacher sind in der ornamentlosigkeit am meisten vorgeschritten: mögen die anderen gewerbe bald nachfolgen!


Frage: Kunst und handwerk?

Antwort: Man hat mir vorgeworfen, daß ich in meiner letzten fragebeantwortung meinen standpunkt verlassen hätte, daß ich mir selbst untreu geworden sei. Seit zwanzig jahren predige ich den unterschied zwischen kunst und handwerk und lasse weder ein kunsthandwerk noch eine angewandte kunst gelten. Im widerspruch zu allen meinen zeitgenossen.

Ich schieb: „Oder will man die bekleidungsgegenstände mit der bemerkung verächtlich machen, daß sie der veränderung unterliegen? Dann müßte man an kunstwerke

Empfohlene Zitierweise:
Adolf Loos: Adolf Loos – Sämtliche Schriften. Herold, Wien, München 1962, Seite 371. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loos_S%C3%A4mtliche_Schriften.pdf/373&oldid=- (Version vom 1.8.2018)