auf den tisch gebracht. In vornehmen speisehäusern wird ein tisch herangezogen, das spiritusfeuer brennt, und es wird gekocht und gebraten. Soviel als möglich wird bei tisch gemacht; es ist eine freude, zuzusehen. Wie gesagt, je vornehmer gespeist wird, desto mehr wird bei tisch gekocht. Ich frage mich, warum der proletarier von dieser schönen sache ausgeschlossen sein soll? Vor tausend jahren hat jeder deutsche in der küche gegessen. Das ganze weihnachtsfest spielte sich in der küche ab, sie war der schönste und geeignetste raum. So geschieht es noch heute auf englischen herrensitzen. Man denke nur an die klassische beschreibung des weihnachtsfestes in den „Pickwickiern“. Man weiß sehr gut, warum die kinder sich am allerliebsten in der küche aufhalten. Das feuer ist etwas schönes. Die wärme des feuers durchdringt den raum und das haus, es geht nichts an wärme verloren. Die küche durchwärmt das ganze haus, und das feuer ist, was es sein soll, der mittelpunkt des hauses. Der engländer sitzt gerne beim feuer; es ist wieder die freude an der zerstörung, die den engländer dazu lockt, sich zum kamin zu setzen und zuzusehen, wie ein stück holz nach dem anderen verbrennt. Aus all diesen gründen baue ich die wohnküche, die die hausfrau entlastet und ihr einen stärkeren anteil an der wohnung gibt, als wenn sie die zeit des kochens in der küche verbringen muß. Die spüle dient dem geschirrabwaschen, gemüseputzen und ähnlichem. Man wird nicht immer, wenn man das haus vom garten her betritt, die türe nach der spüle hinter sich zumachen. In der warmen jahreszeit werden die küchenarbeiten im freien geschehen, draußen wird ein tisch stehen, auf dem bohnen geputzt, salat zubereitet und rüben geschnitten werden, und die türe wird weit
Adolf Loos: Adolf Loos – Sämtliche Schriften. Herold, Wien, München 1962, Seite 415. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loos_S%C3%A4mtliche_Schriften.pdf/417&oldid=- (Version vom 1.8.2018)