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nicht. „Entwirft“ der architekt die möbel, so fragt man sich: werden alle diese dinge zusammenpassen? Sie tun das nur dann, wenn sie modern sind. Moderne dinge passen immer zusammen: schuhe, socken, kleider, hemden, lederkoffer. Vom architekten darf all das nicht sein. Denn er kann nicht wissen, was modern ist.

Aber zur zeit David Roentgens gab es so moderne menschen, wie es heute nur unsere ingenieure und unsere schneider sind. Menschen, die das beste schaffen wollen, was ihnen erreichbar ist, ohne zu wissen, was modern ist. Denn das wissen darum schließt die modernität aus! Hier ist die scharfe grenzscheide zwischen menschen und auchmenschen. Die zeit sondert die spreu vom weizen und läßt einmal nur die menschen gelten.

Durch seine hölzernen wandbilder ließ mich David Roentgen einen blick in mein jahrhundert werfen. Ich verstand ihn sofort: nicht mehr um möbel handelt es sich, sondern um wände. Wir würden sagen: um eingebaute möbel. Darauf beruht der starke eindruck jener tafeln auf jeden unverdorbenen menschen, also auf jedes kind.

Denn jeder mensch verläßt mit modernen nerven den mutterleib. Diese modernen nerven in unmoderne zu verwandeln, nennt man erziehung.

Der zufall wollte es, daß ich in Amerika in eine marqueteriemanufaktur hineingeriet. Zuerst als unterzeichner, dann als schattierer vor dem heißen sandteller, dann als parkettmacher (12 fourniere wurden immer geschnitten), dann als einleger, als säger. Der gedanke an jene „tapisserien“ gab mir die kraft, mein handwerk lieb zu gewinnen, obwohl ich ein gelernter maurer war, was ich

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Adolf Loos: Adolf Loos – Sämtliche Schriften. Herold, Wien, München 1962, Seite 434. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loos_S%C3%A4mtliche_Schriften.pdf/436&oldid=- (Version vom 1.8.2018)