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ausschließt. Aber ich möchte zu bedenken geben, daß sich die alten griechen doch auch ein wenig auf die schönheit verstanden. Und die arbeiteten also nur praktisch, ohne im geringsten an schönheit zu denken, ohne einem ästhetischen bedürfnisse nachkommen zu wollen. Wenn dann ein gegenstand so praktisch war, daß er nicht mehr praktischer gemacht werden konnte, dann nannten sie ihn schön. So taten auch die kommenden völker, und auch wir sagen: diese vasen sind schön.

Gibt es heute noch menschen, die so wie die griechen arbeiten? Oh ja! Es sind die engländer als volk, die ingenieure als stand. Die engländer, die ingenieure sind unsere hellenen. Von ihnen erhalten wir unsere kultur. Sie sind die vollendeten menschen des neunzehnten jahrhunderts …

Die griechischen vasen sind schön, so schön wie eine maschine, so schön wie ein bicycle. Unsere keramik kann sich mit den erzeugnissen des maschinenbaues in dieser beziehung nicht messen. Natürlich nicht vom wiener standpunkte aus gesehen, sondern vom griechischen. Am anfange des jahrhunderts war unsere keramik ganz im klassischen fahrwasser. Auch hier griff der architekt „rettend“ ein.

Ich war einmal in einer operette, die in Spanien spielte. Darin wird anläßlich einer freudigen festlichkeit – ich glaube, daß der hausherr geburtstag feiert – ein chor von estudiantes herbeigeholt, um auf diese weise dem komponisten gelegenheit für ein spanisches lied, dem kostümierer aber betätigung für so und so viele hosenrollen zu bieten. Diese estudiantes singen – ob hochzeit, geburtsfest, kindstaufe, ob jubiläum oder namenstag zu feiern ist, das ist ihnen gleich – denn:

Empfohlene Zitierweise:
Adolf Loos: Adolf Loos – Sämtliche Schriften. Herold, Wien, München 1962, Seite 57. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loos_S%C3%A4mtliche_Schriften.pdf/56&oldid=- (Version vom 1.8.2018)