und achtzehnten jahrhundert, gedenkt ihrer gleißenden pracht, ihres reichen schmuckes, ihrer glänzenden vergoldung. Ja, wenn sich doch so ein fabrikant einmal an ihn wenden würde. Aber nein, diesen leuten und ihrer kundschaft gefällt sogar das geschmacklose zeug. So denkt der alte. Der junge aber, der den kopf voll papierner ornamente hat – das papier heißt „The Studio“ –, möchte am liebsten dem wagen einen „modernen“ dekor geben und ornamente auf den unglücklichen loslassen.
Der wagenbauer aber sagt zu beiden: „Was habt ihr nur, der wagen ist ja ganz gut.“ – „Aber er hat keine ornamente.“ Und beide zeigen ihm ihre entwürfe. Da lacht der wagenbauer und sagt: „Na, da gefällt mir mein wagen schon besser.“ – „Ja, warum denn?“ – „Weil er kein ornament hat.“[1]
Weil er kein ornament hat! Wie hoch steht der wagenbauer über dem kunstgewerbler, mag dieser nun architekt oder maler oder tapezierer sein. Erinnern wir uns doch ein wenig an einige kapitel kulturgeschichte. Je tiefer ein volk steht, desto verschwenderischer ist es mit seinem ornament, seinem schmuck. Der indianer bedeckt jeden gegenstand, jedes boot, jedes ruder, jeden pfeil über und über mit ornamenten. Im schmucke einen vorzug erblicken zu wollen, heißt auf dem indianerstandpunkte stehen. Der indianer in uns aber muß überwunden werden. Der indianer sagt: Dieses weib ist schön, weil es goldene ringe in der nase und in den ohrlappen trägt. Der mensch auf der höhe der kultur sagt: Dieses weib ist schön, weil es keine ringe in der nase und in den ohrlappen trägt. Die schönheit nur in der form zu suchen und nicht vom ornament ahhängig zu machen, ist das ziel, dem die ganze menschheit zustrebt.
- ↑ Die erste kampfansage gegen das ornament.
Adolf Loos: Adolf Loos – Sämtliche Schriften. Herold, Wien, München 1962, Seite 65. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loos_S%C3%A4mtliche_Schriften.pdf/64&oldid=- (Version vom 1.8.2018)