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DIE HERRENHÜTE
(24. juli 1898)


Wie wird die mode gemacht? Wer macht die mode? Das sind gewiß sehr schwierige probleme.

Dem wiener hutmodeverein war es vorbehalten, diese fragen, wenigstens auf dem gebiete der kopfbedeckungen, spielend zu lösen. Er setzt sich nämlich zweimal des jahres um den grünen tisch und diktiert nun dem ganzen erdball jene hutform, die in der folgenden saison getragen werden soll. Dem ganzen erdball, das muß festgehalten werden. Es soll ja keine wiener nationaltracht geschaffen werden, keine, deren sich unsere wasserer, fiaker, strizzis, gigerln und anderen wiener lokaltypen bedienen. O nein, für die strengen sich die mitglieder des hutmodevereines nicht die köpfe an. Die hutmode wird allein für den gentleman bestimmt, und da die kleidung eines solchen mit den verschiedenen volkstrachten, außer bei der ausübung eines sportes, der an die scholle gebunden ist, bekanntlich nichts gemein hat, da sich der gentleman auf der ganzen welt gleich kleidet, gibt also wohl der wiener hutmodenverein den ton für alle kopfbedeckungen abendländischer kultur an.

Wer hätte sich die lösung dieser frage so einfach gedacht! Mit ehrfurcht betrachtet man nun den ehrsamen hutmachermeister, der sich mit seiner stimme für die nochmalige erhöhung des seidenhutes eingesetzt und sie auf diese weise mit der majorität einer stimme erreicht hat. Er allein also hat alle pflastertreter von Paris bis Yokohama gezwungen, sich nächstes jahr einen noch höheren seidenhut aufzusetzen, wenn sie zur guten gesellschaft gerechnet werden wollen. Aber was wissen die

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Adolf Loos: Adolf Loos – Sämtliche Schriften. Herold, Wien, München 1962, Seite 78. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loos_S%C3%A4mtliche_Schriften.pdf/77&oldid=- (Version vom 1.8.2018)