Seite:Lucians Werke 0039.jpg

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Leben in trüber Dämmerung zugebracht hätte, und nun in eine Welt voll heitern Lichtes hinausschaute. Das Seltsamste war, daß ich mein krankes Auge gänzlich darüber vergaß, indem mein Geist, der, ohne daß ich es wußte, blind gewesen, immer hellsehender wurde.

5. Allmählig ist die Veränderung mit mir vorgegangen, worüber du dich so eben beklagtest. Jene Rede hat mich so gehoben, daß ich fast über der Erde wandle, und den Sinn auf nichts Kleinlichtes mehr richte. Ich glaube eine Wirkung von der Philosophie erfahren zu haben, ähnlich derjenigen, welche der Wein auf die Indier, als sie ihn zuerst kennen lernten[1], geäußert haben soll. Diese, ein von Natur warmes Volk, hatten kaum von diesem starken Getränke zu sich genommen, als sie auf der Stelle betrunken wurden, und noch einmal so toll, als Andere, schwärmten. So wandle auch ich umher, wie trunken von der begeisternden Kraft jener Worte.

6. Freund. Nun, dieß heißt doch wohl nicht betrunken, sondern recht nüchtern und weise seyn. Ich selbst wollte gerne auch, wenn es möglich wäre, diese Rede vernehmen. Und ich glaube, es wäre nicht recht, wenn du diesen Wunsch des Freundes, der mit dir gleiches Streben hat, nicht berücksichtigtest.

Lucian. Besorge dieß nicht, mein Bester! Ich möchte mit dem Atriden fragen:

– – – warum, da ich selber ja strebe,
Mahnest du mich?[2]


  1. Durch Dionysos, als er nach Indien zog.
  2. Iliade VIII, 293. Voß.
Empfohlene Zitierweise:
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 39. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0039.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)