Seite:Lucians Werke 0206.jpg

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2. Zephyr. Also von dieser Liebe weißt du. Höre nun das Weitere. Europa war mit ihren Gespielinnen, sich zu vergnügen, an’s Ufer gegangen. Jupiter hatte die Gestalt eines Stieres angenommen, und trieb Kurzweil mit den jungen Mädchen, denen er außerordentlich wohl gefiel. Er war ganz weiß, hatte zierlich gewundene Hörner und einen gar sanften, frommen Blick; tummelte sich lustig auf dem Anger herum und brüllte so anmuthig, daß Europa das Herz faßte, ihn zu besteigen. Kaum war das geschehen, als Jupiter mit seiner Last in vollem Laufe dem Meere zurannte, sich in dasselbe stürzte und fortschwamm. Das Mädchen, ausser sich vor Schreck, hielt sich mit der Linken an seinen Hörnern, um nicht herabzugleiten, mit der andern Hand hielt sie ihr Gewand zusammen, das der Wind gefaßt hatte.

3. Notus. Da hast du in der That einen anmuthigen, reizenden Anblick gehabt, Zephyr, Jupitern als Stier, mit seinem Liebchen auf dem Rücken durch die Fluthen schwimmend –

Zephyr. O, was nun folgt, war noch weit schöner! Die See ward alsogleich ganz wogenlos: die tiefste Ruhe breitete sich über die spiegelglatte Fläche. Wir Winde verhielten uns ganz still, und hatten nichts Anderes zu thun, denn als Zuschauer dieser Erscheinung zu folgen. Die Liebesgötter flogen neben ihnen und so nahe über dem Meere hin, daß sie bisweilen mit den Fußspitzen das Wasser streiften: sie trugen brennende Fackeln in den Händen und sangen dabei den Brautgesang. Die Nereïden tauchten auf, und ritten, die Meisten halbnackt, auf Delphinen nebenher, und jauchzten und

Empfohlene Zitierweise:
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 206. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0206.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)