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XXX. Minos und Sostratus.

1. Minos. Der Straßenräuber Sostratus wird in den Feuerstrom geworfen! Diesen Tempelräuber soll die Chimära zerreißen! Jener Despot, Merkur, ist neben Tityus auszurecken, und die Geier sollen ihm gleichfalls die Leber aushacken! Ihr aber, ihr Gerechten, eilet dem elysischen Gefilde zu, und zur Belohnung, daß ihr im Leben recht gehandelt, bewohnet hinfort die Inseln der Seeligen!

Sostratus. Höre, Minos, ob ich mit Folgendem Unrecht habe.

Minos. Ich soll dich noch einmal anhören, Bösewicht? Bist du nicht schon so vieler Mordthaten überwiesen?

Sostratus. Ueberwiesen zwar, ob ich aber mit Recht gestraft werde, ist eine andere Frage.

Minos. Mit allem Recht, wenn anders Recht ist, daß Jedem nach Verdienst vergolten werde.

Sostratus. Beantworte mir nur die Einzige Frage –

Minos. Mach’s kurz, denn ich habe noch über Mehrere abzuurtheilen.

2. Sostratus. Was ich im Leben gethan, hab’ ich es aus eigener Bewegung gethan, oder weil die Schicksalsgöttin es so über mich verhängt hatte?

Minos. Aus dem letztern Grunde, versteht sich.

Sostratus. Also handeln die Guten alle, und wir, die wir für Böse gelten, nur im Dienste des Verhängnisses?

Minos. Allerdings, im Dienste der Clotho, die Jedem bei seiner Geburt schon seine Handlungen zuweist.

Empfohlene Zitierweise:
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. Stuttgart: J. B. Metzler, 1827–1832, Seite 284. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0284.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)