Seite:Lucians Werke 0295.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

bersten; aus der Ferne ließ sich das Gebell des Cerberus vernehmen – der Spuck ward gräßlich.

Bang erschrak dort unten der Schattenfürst Aïdoneus.[1]

Nun erschien die ganze Unterwelt vor meinen Augen, der stygische See, der Feuerstrom und selbst der Pallast des Pluto. Wir stiegen hinab und trafen den Rhadamanthus halb todt vor Schrecken. Cerberus bellte zwar noch, und wollte sich gegen uns in Bewegung setzen: allein kaum hatte ich ein Paar Accorde auf meiner Lyra gegriffen, als ihn diese Töne augenblicklich besänftigten. So kamen wir bis an den stygischen See: aber es fehlte wenig, so wären wir nicht hinüber gekommen. Die Fähre war schon ganz angefüllt mit Todten, die erbärmlich zusammenheulten: es war ein Schwarm Verwundeter, die, wie ich vermuthe, aus einer Schlacht kamen; denn dem Einen war ein Bein, dem Andern der Kopf, dem Dritten ein anderer Theil des Körpers zerschmettert. Gleichwohl nahm mich der gute Charon, der mich wegen meines Löwenfells für Hercules hielt, noch in den Nachen auf, setzte mich mit aller Bereitwilligkeit über, und wies uns beim Aussteigen den Weg.

11. Als wir in dem finstern Raume waren, gieng Mithrobarzanes voran, ich aber folgte ihm auf dem Fuße nach, bis wir auf eine große mit Asphodil bewachsene Wiese kamen, wo uns die Schatten der Todten schwirrend umflatterten. Ein wenig weiter vorwärts gelangten wir an die Stelle, wo Minos auf einem hohen Stuhle saß und Gericht hielt. Neben ihm standen die Strafgeister, die Rachegenien


  1. Iliade XX, 61. Voß.
Empfohlene Zitierweise:
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 295. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0295.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)