Seite:Lucians Werke 0500.jpg

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Eine bestimmte Zeit, wie jetzt die Morgenstunden, war also früher diesem Zurufe nicht angewiesen: ja man bediente sich seiner sogar in den verhängnißvollsten, nichts weniger als erwünschten, Augenblicken, wie Polynices bei Euripides, als er sein Ende herannahen[WS 1] fühlte:

Καὶ χαίρετ’· ἤδη γάρ με περιβάλλει σκότος.[1]

Auch diente dieses Wort nicht blos zum Ausdruck wohlwollender Gesinnung, sondern auch der Abneigung, wenn man von Einem auf immer geschieden seyn will. Mit der Redensart μακρὰ χαῖρε drücke ich aus, daß ich mit dem Andern hinfort Nichts zu schaffen haben wolle.

3. In ihrem eigentlichen Sinne scheint der Läufer Philippides die Formel χαῖρε zuerst gebraucht zu haben, als er, wie man erzählt, von Marathon herbeieilend, den versammelten und wegen des Ausgangs der Schlacht bekümmerten Archonten den Sieg mit den Worten ankündigte: χαῖρετε, νικῶμεν! [Freut euch, wir siegen!]; worauf er augenblicklich todt zur Erde fiel, also zugleich mit dem Freudengruße seinen Geist aushauchte. Der Erste aber, der dieses Wort dem Anfange eines Briefes vorsetzte, war der Athenische Demagog Cleon, wie er den Athenern die angenehme Nachricht von dem Sieg bei Sphacteria[2] und der Gefangennehmung der Spartaner gab. Allein nach ihm kehrte Nicias in seinen Berichten aus Sicilien wieder zu der alten Sitte zurück, in Briefen sogleich mit dem Gegenstande selbst anzufangen.


  1. Eurip. Phöniz. 1462: „O freut euch! mich umhüllt bereits des Todes Nacht!“
  2. Kleine Insel an der Messenischen Küste im Peloponnes.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: herrannahen
Empfohlene Zitierweise:
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 500. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0500.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)