Seite:Lucians Werke 0549.jpg

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Lycinus. Die können auf der Stelle wieder gehen, wenn du sie überflüssig findest. Aber beginne: ich bin auf etwas Außerordentliches gespannt.

Hermotimus. Ich halte es für sehr möglich. Lycinus, daß Einer, der bloß den stoischen Lehrbegriff tüchtig erlernt hat, mittelst desselben die Wahrheit finden könne, auch wenn er sich nicht mit andern Systemen Punkt für Punkt bekannt gemacht hat. Denke dir einmal, es sagte dir Einer weiter nichts, als zweimal zwei mache viere: hättest du nöthig, bei allen Rechenmeistern herumzugehen und dich zu erkundigen, ob nicht etwa Einer unter ihnen ist, der sagt, es mache fünf oder sieben? oder würdest du dich nicht vielmehr im ersten Augenblicke schon überzeugen, daß der Mann Recht hat?

Lycinus. Versteht sich.

Hermotimus. Wie kannst du es also für unmöglich halten, daß Einer, der nun einmal an die Stoiker gerathen, um von ihnen die Wahrheit zu hören, sich von ihnen überzeugen lasse, ohne hinfort anderer Philosophen zu bedürfen, da er recht gut weiß, daß zweimal zwei nicht fünf machen kann, und wenn es zehntausend Platone und Pythagorasse behaupteten?

35. Lycinus. Das paßt nicht hieher, lieber Hermotimus. Du vergleichst ausgemachte Dinge mit solchen, die im Streite liegen, von denen sie doch himmelweit verschieden sind. Oder hast du jemals einen Menschen gesehen, der im Ernste behauptet hätte, zweimal zwei mache sieben oder eilf?

Hermotimus. Nein: wer das behauptete, müßte nicht bei Troste seyn.

Empfohlene Zitierweise:
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 549. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0549.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)