Seite:Lucians Werke 0564.jpg

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ist; ich weiß nur so viel, daß man sie nicht gerne hört, und dafür der Lüge in hundert Fällen den Vorzug giebt. Die letztere hat freilich ein viel gefälligeres Aeußere, und wird deßwegen überall lieber gesehen. Die Wahrheit aber, die sich keiner Unlauterkeit bewußt ist, spricht offen und frei mit den Menschen, und darum ist man ihr so gram. Siehst du nun, wie du jetzt aus demselben Grunde mir grollst, weil ich dir zur Entdeckung der Wahrheit verholfen und an den Tag gelegt habe, daß der Gegenstand unseres beiderseitigen Strebens nicht so ganz leicht zu erreichen ist. Es ist gerade, als ob du in eine Bildsäule, die du für einen Menschen hieltest, verliebt wärest, und ich in dem Augenblicke, wo du hofftest, dem geliebten Gegenstande dich zu nähern, dir wohlmeinend sagte, daß dein Sehnen eitel und deine Schöne von Erz oder Marmor sey, und du wolltest mich deßwegen für übelgesinnt halten, weil ich dich einer thörichten Selbsttäuschung und einer abentheuerlichen Hoffnung entriß, die ewig nicht in Erfüllung gehen konnte.

51. Hermotimus. Du willst also ohne Zweifel damit sagen, wir sollen uns der Philosophie gänzlich enthalten, und uns wie Alltagsmenschen träger Gedankenlosigkeit hingeben.

Lycinus. Wo und wann habe ich das gesagt? Du hast mich gewiß nie behaupten hören, daß man gar nicht philosophiren solle, sondern das sagte ich, weil es Pflicht ist, das Studium der Weisheit zu betreiben, und der Wege so viele sind, von welchen jeder angeblich zur Weisheit und Tugend führt, der wahre Weg aber unbekannt ist, so muß man um so vorsichtiger in der Auswahl seyn. Und da die Anzahl,

Empfohlene Zitierweise:
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 564. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0564.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)