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Hermotimus. Wie meinst du das? Ich fürchte abermals etwas Trostloses zu vernehmen.

69. Lycinus. Ich meine, wenn wir auch einen Mann fänden, der die Kunst zu besitzen vorgäbe, das Wahre mit Unfehlbarkeit zu erkennen, und dieselbe auch Andern mitzutheilen, so könnten wir uns ihm doch nicht so unbesehen anvertrauen, sondern müßten einen Zweiten aufsuchen, der zu beurtheilen verstände, ob der Erste die Wahrheit spräche. Und wenn wir nun so glücklich wären, auch dieses Zweiten habhaft zu werden, so fragte sich’s erst noch, ob derselbe im Stand ist, ein richtiges Urtheil über jenen Erstern zu fällen, oder nicht. Wir hätten also zur Beurtheilung des Zweiten einen Dritten nöthig; denn wie sollten wir selbst zu beurtheilen vermögen, wer das Wahre am richtigsten zu erkennen wisse? Du siehst, dieses Verfahren führt in’s Unendliche; denn bei welchem sollen wir stehen bleiben, an welchen uns halten, da ja die Beweise für die Wahrheit selbst, so viele ihrer erfunden werden, wie du siehst, so sehr bestritten werden, und so gar nicht auf haltbarem Grunde beruhen? Denn die meisten derselben gehen, indem sie uns zur Ueberzeugung nöthigen wollen, von Voraussetzungen aus, die nichts weniger als erwiesen sind. Andere bringen sogar mit dem Augenscheinlichsten das Ungewisseste in Verbindung, auch wenn Beides in gar keiner Gemeinschaft steht, und geben sie gleichwohl für Beweise aus, wie z. B. der, welcher mit dem Daseyn der Altäre das Daseyn der Götter[WS 1] beweisen wollte.[1] Also, mein Hermotimus, drehen wir uns beständig im Kreise


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Gotter
Empfohlene Zitierweise:
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 582. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0582.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)