Seite:Lucians Werke 0584.jpg

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angenehmen Bildern, die du geschaut, nur mit Mühe die Augen öffnest und den Schlaf von dir scheuchest. Gerade so geht es den Leuten, die sich wachend in einen glückseligen Zustand hineinträumen: wenn sie nun so recht mitten drin sind, ihren Reichthum sich auszumahlen, und wie sie Schätze aus der Erde heben, Völker beherrschen und in allen den Herrlichkeiten schwelgen, welche der freigebige Genius der Wünsche (der uns nie widerspricht, und wenn auch Einer Flügel haben, so groß wie der Koloß zu Rhodus seyn, oder Berge von lauter Gold finden wollte) in Fülle herbeizaubert – wenn nun, während sie über solchen Bildern brüten, der Bediente kommt und fragt, womit er Brod kaufen, oder was er dem Hausherrn, der nun schon einmal über das andere die Miethe gefordert hätte, antworten soll, so werden sie erboßt über den lästigen Frager, als ob er ihnen alle jene Herrlichkeiten wirklich gestohlen hätte, und es fehlt wenig, daß sie dem armen Jungen nicht mit dem Zähnen in’s Gesicht fahren.

71. Laß dir aber nicht beigehen, mein Bester, deinen Unmuth an mir auszulassen, wenn ich, da du mit Schatzgraben, Fliegen und andern dergleichen ausschweifenden Einbildungen und eiteln Erwartungen umgiengest, als dein Freund nicht zugeben wollte, daß du dein Leben in einem, zwar angenehmen, Traume, aber doch nur in einem Traume zubringest, sondern dich aufstehen hieß, und dir rieth, mit nothwendigen Dingen dich abzugeben, wobei du hinfort nicht in Versuchung kämest, den Kreis des gesunden Menschenverstandes zu verlassen. Denn die Dinge, welche dich bis jetzt beschäftigten, sind um nichts besser, als die Centauren, Chimären,

Empfohlene Zitierweise:
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 584. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0584.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)