Seite:Lucians Werke 0619.jpg

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einen sehr verständigen, wißbegierigen und von Liebe zum Schönen und zu den edelsten Geistesbeschäftigungen erfüllten Mann, eben dahin geführt. Dieser Toxaris war aber nicht, wie Anacharsis, von königlichem Geblüte, oder auch nur aus einem der edeln scythischen Geschlechter, sondern nichts weiter als ein gemeiner Scythe, dergleichen sie dort einen Achtfüßler heißen, das ist ein Herr von einem Wagen und zwei Ochsen. Er kehrte nicht wieder nach Scythien zurück, sondern starb zu Athen, und es stand nicht lange an, so erklärten ihn die Athener zu einem Halbgotte; und noch jetzt werden ihm unter dem Namen des fremden Heilkünstlers zuweilen Opfer dargebracht. Die Veranlassung zu dieser Benennung und zu seiner Aufnahme unter die Heroen und Söhne des Aesculap zu erzählen, dürfte um so weniger unangemessen seyn, als sich daraus ergeben wird, daß nicht allein in Scythien die Sitte herrscht, Verstorbenen die Unsterblichkeit zu ertheilen, und sie zu Zamolxis[1] abzuschicken, sondern daß man auch in Athen im Stande ist, einen Scythen mitten in Griechenland zum Gotte zu machen.

2. Während der großen Pest [im zweiten Jahre des Peloponnesischen Krieges] war es einst der Gattin des Areopagiten Architeles, Dimänete, als erschiene ihr dieser Scythe und befehle ihr, den Athenern zu sagen, sie sollten die engen Gassen der Stadt reichlich mit Wein besprengen. Die Athener ermangelten nicht, zu gehorchen; und da das Verlangte


  1. Ein vergötterter, ehemaliger Gesetzgeber der Scythen; man sehe das Nähere bei Herodot IV, 94.
Empfohlene Zitierweise:
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 619. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0619.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)