Seite:Lucians Werke 0762.jpg

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prangte, jämmerlich entstellt in seinem Blute liegen zu sehen. Das war die tiefste Wunde, die ich dem Vaterherzen schlagen konnte, das war der rechte Mordstahl, um den Tyrannen zu durchbohren, das ist eine Todesqual, wie sie alle grausamen Wüthriche verdienen, und die angemessenste Rache für so zahllose Verbrechen. Ein schneller Tod, ein plötzlicher Verlust des Bewußtseyns, ohne zuvor eine so gräßliche Scene vor Augen gehabt zu haben, ist keine genügende Tyrannenstrafe.

18. Ich wußte gar wohl, mein Gegner! ich wußte es so gut als jeder Andere, mit welcher Zärtlichkeit der Alte an seinem Sohne hieng, und wie er es nicht von sich erhalten würde, seinen Tod auch nur wenige Augenblicke zu überleben. Wohl mögen dieß die Gesinnungen auch anderer Väter gegen ihre Söhne seyn. Allein daß dieses Vaters Anhänglichkeit so ganz besonders stark war, ist um so weniger zu verwundern, als er in seinem Sohne den einzigen Pfleger und Beschirmer seiner Gewaltherrschaft sah, den einzigen, von dem er wußte, daß er für ihn Alles wagen würde, und daß auf ihm allein die Festigkeit seines Thrones beruhte. Und so mußte ich wohl voraussehen, daß, wenn auch nicht die blose Liebe, doch gewiß der Gedanke, was ihm das Leben hinfort nützen könne, da mit seinem Sohne seine einzige Stütze gefallen, ihn zur Verzweiflung und zum Selbstmord treiben würde. So ließ ich denn Alles vereint auf ihn wirken, die natürlichen Empfindungen des Schmerzes, Schrecken, Rathlosigkeit, Angst vor der Zukunft, alles Dieses rief ich gegen ihn zu Hülfe, um ihm endlich jenen letzten verzweifelten

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Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 762. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0762.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)