Seite:Lucians Werke 0777.jpg

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wie nicht Alle eine gleiche Freude darüber empfanden, und wie besonders Eine der anwesenden Personen plötzlich die Farbe wechselte, Bestürzung in dem Blicke, und in den Gesichtszügen Affekte verrieth, die aussahen wie Haß, Zorn und Neid. Wir Beiden aber, der Vater und ich, waren, wie leicht zu erachten, froh und wohlgemuth, da wir uns einander wiedergegeben sahen.

6. Es stand aber nicht lange Zeit an, meine Richter, so wurde die Stiefmutter auf einmal von einer schweren Geisteskrankheit sehr auffallender Art befallen. Ich beobachtete das Uebel, so wie es sich zeigte, genau, und fand, daß es keine gewöhnliche und von äußern Ursachen herrührende Anwandlung von Irreseyn, sondern ein tiefer liegendes, längst schon im Innern des Gemüths verbreitetes Uebel war, das nun auf Einmal einen gewaltsamen Ausbruch genommen hatte. Wir Aerzte kennen mehrere Merkmale einer unheilbaren Geisteszerrüttung. Allein an dieser Frau beobachtete ich ein mir ganz neues. Gegen andere Menschen nämlich beträgt sie sich leidlich gelassen und zahm; und so lange man um sie ist, scheint ihr Uebel zu schlummern. Aber sobald sie einen Arzt ansichtig wird, oder auch nur das Wort Arzt nennen hört, so fängt sie an, zu toben. Diese Erscheinung ist an und für sich schon ein Beweis, wie schlimm und unheilbar ihr Zustand ist, und machte mich um so bekümmerter, als ich die würdige Frau, die so unschuldig in dieses Unglück gerieth, nur bedauren konnte.

7. Mein Vater, zu unwissend, um Ursprung, Beginn und Umfang des Uebels zu kennen, bestand darauf, daß ich sie heilen und ihr dieselbe Arznei reichen sollte, die ich ihm

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Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 777. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0777.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)