Seite:Lucians Werke 0779.jpg

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erselben niedergesetzt werden sollen, von denen zu erwarten steht, daß sie ohne Leidenschaft und Vorurtheil erkennen werden, was Rechtens ist. Denn es war dem Gesetzgeber nicht entgangen, daß gar viele Väter von sehr ungegründeten Ursachen zum Hasse gegen ihre Söhne sich bestimmen lassen, indem z. B. der Eine irgend einer lügenhaften Verläumdung Glauben schenkt, ein Anderer von einem Bedienten oder einem böswilligen Weibsbilde sich beschwatzen läßt. Aus diesem Grunde ordnet das Gesetz ein gerichtliches Verfahren hiebei an, und gestattet nicht, daß ein Sohn ungehört verurtheilt werde; sondern auch ihm muß Zeit und Ort zu seiner Vertheidigung anberaumt, und kein Umstand darf unerörtert gelassen werden.

9. Weil denn nun auch mir das Recht, zu reden, und meinem Vater zwar die Befugniß, mich anzuklagen, euch Richtern hingegen das Urtheil zusteht, ob seine Anklage gegründet sey; so erwäget, ehe ihr auf eine nähere Untersuchung Dessen, was er mir in seinem gegenwärtigen Unwillen zur Last legt, eingehet, vorerst die Frage, ob ihm, der sich der gesetzlichen Befugniß, mich zu verstoßen, schon einmal bedient, und diese seine väterliche Gewalt in ihrem vollen Umfange ausgeübt, in der Folge aber diese Verfügung wieder aufgehoben und mich wieder als Sohn angenommen hat, dieses Recht der Verstoßung zum zweitenmale einzuräumen sey? Ich meines Orts wüßte nicht, was unbilliger seyn könnte, als alle Schranken dieser väterlichen Strafgewalt aufzuheben, diese Verurtheilung sich beliebig wiederholen, und die Söhne in beständiger Furcht schweben zu lassen, und zu gestatten, daß das Gesetz gemißbraucht werde, um die Beschlüsse

Empfohlene Zitierweise:
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 779. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0779.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)