Seite:Lucians Werke 0844.jpg

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Der Prophet hatte nämlich lange zuvor schon die Sage in Umlauf gesetzt, die Tochter, die er bei sich hätte, wäre ihm von der Mondgöttin geboren worden: Diese hätte ihn einst schlafen gesehen und wäre von Liebe zu ihm entbrannt, wie es denn so die Art dieser Göttin ist, sich in schöne Schläfer zu verlieben. Und wirklich bedachte sich der hochweise Rutillianus keinen Augenblick, sondern ließ das Mädchen abholen, und feierte mit ihr, ein Bräutigam von sechzig Jahren, seine Hochzeit, nachdem er sich zuvor die Gunst der Schwiegermutter Luna mit ganzen Hecatomben zu verschaffen gesucht hatte. Auf diese Art glaubte der Mann nun gleichfalls der Himmlischen Einer geworden zu seyn.

36. So wie er sich auf diese Art in Verbindung mit Italien gesetzt hatte, dachte er darauf, seinem Geschäfte eine größere Ausdehnung zu geben, und schickte zu dem Ende Emissarien mit Orakelsprüchen durch das ganze Römische Reich, um die Städte vor bevorstehenden Seuchen, Feuersbrünsten und Erdbeben zu warnen, und ihnen seine mächtige Hülfe zu versprechen, damit ihnen nichts Dergleichen zustoße. Einer dieser Sprüche, gleichfalls ein autophonischer, den er während der großen Pest in alle Lande ausgehen ließ, bestand in diesem einzigen Verse:

Phöbus, das Haupt ungeschoren, verjagt die Wolke der Seuche.

Dieser Vers war damals, als ein magisches Verwahrungsmittel wider die Pest, fast über jeder Hausthüre zu lesen. Allein der Erfolg war bei den Meisten gerade der entgegengesetzte. Denn durch ein besonderes Verhängniß starben meist eben die Häuser zuerst aus, an welchen jene Worte angeschrieben

Empfohlene Zitierweise:
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 844. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0844.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)