Seite:Lucians Werke 0959.jpg

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gesprochen habe. Du weißt, wie sehr ich überzeugt bin, daß einem sanften, humanen, edeldenkenden und reinen Charakter und einem gebildeten Geiste der Vorzug vor allen körperlichen Reizen eben so gewiß gebühre, als es ungereimt und lächerlich wäre, wenn man eine schöne Kleidung mehr bewundern wollte, als einen wohlgebauten Körper. Eine vollkommene Schönheit aber kann, wie ich glaube, nur eine solche genannt werden, bei welcher sich alle Vorzüge des Geistes mit körperlicher Wohlgestalt paaren. Ich wüßte dir gar viele Frauen zu nennen, mein Freund, die zwar recht hübsch aussehen, aber ihrem schönen Aeußern nicht die mindeste Ehre machen: denn wenn sie nur den Mund öffnen, so ist alle Schönheit entstellt und verwischt, und man bedauert nur, daß solche Reize einer so schlechten Herrin dienen sollen. Dergleichen Geschöpfe kommen mir immer vor wie die ägyptischen Tempel. Das Gebäude selbst ist groß und prächtig, mit dem kostbarsten Gestein überkleidet, mit goldenen Verzierungen und den schönsten Wandgemälden ausgeschmückt: trittst du aber hinein und suchst das Bild der Gottheit, so ist’s – ein Affe, ein Ibis, ein Bock oder eine Katze. Dergleichen Weiber gibt es nur zu viele. Aeußerliche Schönheit genügt also nicht, wenn sie nicht noch durch den ächten Schmuck erhöht wird: ich meine nicht durch ein Purpurgewand und Gold und Edelgestein, sondern durch die Tugenden, die ich so eben nannte, durch Sanftmuth, Sittsamkeit und einen edeldenkenden, leutseligen Charakter – Tugenden, welche sich an Panthéa in ihrer höchsten Vollendung finden.

Empfohlene Zitierweise:
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 959. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0959.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)