Seite:Lucians Werke 1060.jpg

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hineingeschafft hatten, wo der gemeinschaftliche Raub verwahrt wurde, wuschen sie sich ebenfalls. Hierauf ward reichlich gegessen und getrunken, und das Gespräch bei diesem Räubergelage wurde sehr lebhaft. Mir und dem Pferde schüttete die Alte Gerste vor, die das Pferd, das natürlicherweise in mir einen Theilnehmer besorgte, sehr gierig verschlang. Allein sobald ich sah, daß die Alte fort war, aß ich mich an den Broden satt, die ich in der Nähe vorfand. Am folgenden Morgen gingen sämmtliche Räuber ihrem Geschäfte nach, mit Ausnahme eines einzigen Burschen, der bei der Alten zu Hause bleiben mußte. Ich seufzte im Stillen über mein Schicksal, und besonders über die scharfe Wache, die ich bei mir hatte. Die Alte kümmerte mich wenig, denn aus ihrem Bereiche zu entkommen, wäre mir ein Leichtes gewesen: aber der junge Kerl, ein großer Bengel mit wildem Blick und einem Säbel an der Seite, verschloß jedesmal die Thüre sorgfältig.

22. Erst nach drei Tagen gegen Mitternacht kamen die Räuber wieder zurück, brachten aber diesesmal statt Gold und Silber und sonstiger Kostbarkeiten ein junges wunderschönes Mädchen in Thränen, mit zerfetzten Kleidern und verstörten Haaren, mit. Sie führten sie hinein, hießen sie auf einem Ruhepolster sich niederlassen und gutes Muthes seyn: die Alte sollte bei ihr bleiben und auf sie Achtung geben. Das arme Kind wollte weder essen noch trinken, antwortete auf Alles nur mit Thränen und zerraufte sich die Haare. Mir selbst, der ich in der Nähe an meiner Krippe stand, gingen vor Mitleid mit dem schönen Mädchen die Augen über. Die Räuber hielten inzwischen ihre Mahlzeit auf

Empfohlene Zitierweise:
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 1060. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_1060.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)