Seite:Lucians Werke 1087.jpg

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und ganz unbefangen mit ihr den Zärtlichen spielte. Eine Verbrecherin, die verurtheilt war, den wilden Thieren vorgeworfen zu werden, wurde dazu ausersehen: man führte sie in mein Gelaß, wo sie mit Streicheln und Schmeicheleien mich zutraulich machen mußte.

53. Inzwischen kam der Tag heran, an welchem mein Herr seine Spiele geben wollte, und ich wurde nun folgendermaßen auf den Schauplatz gebracht. Man legte mich auf ein großes Tragbette, dessen Gestelle mit Indianischem Schildkrot und Gold eingelegt war, und jene Dirne mußte sich neben mich legen. So trug man uns mittelst einer besondern Vorrichtung in das Amphitheater und setzte uns unter lautem Beifallrufen und Händeklatschen der zahllosen Zuschauer mitten auf der Arena nieder. Jetzt wurde ein Tisch vor uns hingestellt und mit allen den Leckerbissen besetzt, die auf den Tafeln reicher Schlemmer zu finden sind. Zur Seite standen schöne Knaben, die uns Wein in goldenen Schaalen reichten. Hinter mir stand mein Aufseher, der mir zu speisen befahl. Allein mir war gar übel zu Muthe: einmal schämte ich mich, so unanständig vor aller Welt dazuliegen, sodann war mir todesbange, es könnte einem der Bären oder Löwen einfallen, mich zerreißen zu wollen.

54. Während Dessen geht ein Mensch mit einem Korbe voll Blumen an mir vorüber, unter welchen ich auch frische Rosen bemerke. Ohne mich einen Augenblick zu besinnen, springe ich auf und gehe auf die Blumen zu. Die Zuschauer glaubten, ich hätte mich nun zum Tanze erhoben. Ich aber durchsuche den Blumenkorb, lese sorgfältig die Rosen aus und verschlinge eine nach der andern. Noch konnten die Leute

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Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 1087. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_1087.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)