Seite:Lucians Werke 1281.jpg

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Syrer. Der Rechtsstreit, welchen ich hier zu bestehen habe, kommt mir allerdings sehr unerwartet, meine Richter! Ich dachte alles Andere eher, als daß der Dialogus so von mir reden würde. Dieser Dialogus kam, als ich in Verbindung mit ihm trat, den meisten Leuten als ein sauersichtiger Geselle vor: er war von dem ewigen Fragen und Antworten ganz ausgemergelt, und wiewohl man immer einen gewissen Respect vor ihm hatte, so fanden doch die Meisten sein Wesen durchaus nicht einnehmend und unterhaltend. Das Erste war nun, daß ich ihn gewöhnte, auf ebener Erde zu gehen, wie andere Sterbliche: sodann gab ich ihm ein angenehmeres Aussehen, indem ich seinen vielen Schmutz abwusch, und ihn zu einem freundlichen Lächeln nöthigte. Endlich aber gesellte ich ihm die Komödie bei, und erwarb ihm dadurch die völlige Zuneigung Aller, die sich bisher, der vielen Dornen wegen, wovon er wie ein Igel starrte, nicht getraut hatten, ihm zu nahe zu kommen. Aber ich weiß recht gut, warum er ungehalten ist: es verdrießt ihn, daß ich mich nicht zu ihm hinsetze und über müßige und subtile Fragen mit ihm spintisire, z. B. ob die Seele unsterblich sey, wie viele Nösel der reinen und sich immer gleichen Materie Gott in den großen Krug, worin er Alles durch einander mischte, gegossen habe, als er die Welt verfertigte, und ob die Rhetorik das Bild eines Theilchens der Politik und der vierte Theil der Schmeichlerkunst[1] sey? Dergleichen Schnickschnack auszustudiren, juckt ihn nicht minder, als den Krätzigen, feinen Schorf zu kratzen,


  1. Anspielung auf einen Scherz des Socrates in Plato’s Gorgias.
Empfohlene Zitierweise:
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 1281. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_1281.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)