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Tychiades. Aber, mein Freund, hältst du es nicht für Unrecht, fremdes Eigenthum zu nehmen?

Simon. Allerdings.

Tychiades. Nun, der Parasit nimmt ja fremdes Eigenthum zu sich: thut er also nicht Unrecht?

22. Simon. Ach – Das weiß ich jetzt nicht. Genug, während die Anfänge aller Künste gering und verächtlich sind, ist die Parasitik schon in ihrem Ursprunge eine sehr edle Kunst. Denn du wirst finden, dieser Ursprung ist nichts Geringeres, als die Freundschaft, dieser so hochgepriesene Name.

Tychiades. Wie so?

Simon. Niemand wird ja seinen Feind, Niemand einen ihm ganz unbekannten Menschen, oder auch nur einen etwas entfernten Bekannten zu Tische bitten: man muß erst Eines Freund geworden seyn, um zur Theilnahme an seinen Festmahlen und Schmäusen und zu allen den Mysterien dieser Kunst zugelassen zu werden. Daher hört man die Leute oft sagen: „wie sollte Der unser Freund seyn, da er ja noch nie mit uns gegessen und getrunken hat?“ zum deutlichen Beweise, daß nur der Tisch- und Zechgenosse für einen treuen Freund zu gelten pflegt.

23. Daß aber diese Kunst auch die königlichste aller Künste ist, wirst du am besten aus Folgendem entnehmen: Wer sonst irgend eine Kunst betreibt, muß unter Schweiß und mannichfachem Ungemach, sitzend oder stehend, arbeiten, und ist ganz und gar der Sclave seiner Kunst; der Parasit hingegen übt die seinige aus, auf Polstern liegend, wie ein König.

Empfohlene Zitierweise:
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 1297. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_1297.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)