Seite:Lucians Werke 1328.jpg

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Ort der Gottlosen abgeführt, wo Jeder nach dem Grade seiner Sündhaftigkeit gestraft wird. Dort gibt es denn kein Gattung von Pein, die sie nicht erdulden müßten; sie werden gefoltert, gebraten, von Geyern zerfleischt, auf einem Rade getrillt, und müßen Felsstücke bergan wälzen. Tantalus steht lechzend dicht an einem See, und befindet sich, der Unglückselige, dennoch in beständiger Gefahr, vor Durst zu verschmachten.

9. Diejenigen, deren Leben die Mitte zwischen gut und böse hielt, und deren Anzahl sehr groß ist, werden zu körperlosen Schatten, die unter den Händen wie Rauch verschwinden, und wandeln so auf dem Anger umher. Ihre Nahrung sind die Libationen und Opfer, die wir auf ihren Gräbern darbringen: und wenn Einer keinen Verwandten oder Freund auf der Erde zurückgelassen hat, so ist ein Solcher allezeit ein hungriger Bürger dieses Todtenreichs.

10. Diese Vorstellungen sind es, welche bei den Leuten allgemein im Umlauf sind. Wenn daher einer ihrer Angehörigen gestorben ist, so sind sie sogleich mit einem Obolus bei der Hand, den sie ihm in den Mund stecken, damit er dem Fährmann die Ueberfahrt bezahlen könne. Welches Geld der dort unten kursire, ob der Attische, der Macedonische der der Aeginetische Obolus, darnach fragt man nicht: eben so wenig bedenkt man, daß es viel klüger wäre, gar kein Fährgeld bei sich zu haben; denn so würde der Todte, wenn der Fährmann ihn nicht einnähme, zurückgeschickt und könnte wieder in’s Leben heraufkommen.

11. Sodann wird der Leichnam gewaschen, als ob der See dort unten nicht groß genug wäre, um sich darin zu

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Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 1328. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_1328.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)