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Der Lügenfreund oder der Ungläubige.
Tychiades und Philokles.

1. Tychiades. Kannst du mir nicht sagen, mein lieber Philokles, wie es doch kommt, daß nie meisten Menschen so großen Gefallen an Lügen haben: so daß es ihnen ungemeine Freude macht, die grundlosesten Dinge nicht nur selbst zu erzählen, sondern auch von Andern mit der größten Aufmerksamkeit anzuhören?

Philokles. In sehr vielen Fällen ist es die Rücksicht auf den Vortheil, welche die Menschen nöthigt, Unwahrheiten zu sagen.

Tychiades. Ich spreche hier nicht von Solchen, die im Falle sind, lügen zu müßen: diesen gebührt jedenfalls Nachsicht, bisweilen sogar Lob, wenn sie z. B. im Kriege den Feind durch falsche Nachrichten hintergehen, oder in bedrängten Lagen, um sich und Andere zu retten, zu diesem Mittelchen greifen, dergleichen Ulysses mehr als einmal gethan,

Sorgend für seine Seele zugleich und der Freunde Zurückkunft.
 (Odyss. I. 5.)

Vielmehr rede ich hier blos von Denen, welche sich ohne alle Noth, aus purer Liebhaberei, mit Lügen abgeben, und gegen diese die Wahrheit weit zurücksetzen. Da mochte ich doch wohl wissen, was diese Leute dabei für einen Nutzen zu haben glauben.

Empfohlene Zitierweise:
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 1355. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_1355.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)