Seite:Lucians Werke 1411.jpg

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beiden vordern vertreten die Stelle der Hände. Denn man sieht sie sehr oft auf den Hinterfüßen laufen, und etwas Eßbares in den Händen tragen, gerade wie wir Menschen es zu machen pflegen.

4. Sie kommt übrigens nicht sogleich in dieser Gestalt zur Welt, sondern ist zuerst ein Wurm, der sich aus menschlichen oder thierischen Leichnamen entwickelt. Nach einiger Zeit bilden sich die Füße und Flügel an: und aus dem Kriechthier wird ein geflügeltes. Jetzt erzeugt sie wieder andere Würmer, die in kurzem sich ebenfalls in Fliegen verwandeln. Als beständige Hausgenossin des Menschen hat sie ganz dieselbe Nahrung, wie Dieser, und kostet von Allem, was auf seinen Tisch kommt; nur trinkt sie kein Oehl, was ihr den Tod bringen würde. Die Grenzen, in welche ihr Daseyn eingeschlossen ist, sind sehr enge: daher hat sie ihre größte Freude am Tageslicht. Nur, wenn es hell ist, treibt sie ihr Wesen; des Nachts fliegt und singt sie nicht mehr, sondern zieht sich zurück und rührt sich nicht.

5. Keinen geringen Verstand beweist sie in der Art, wie sie ihrem Verfolger und Todfeind, der Spinne, zu entgehen weiß. Sie faßt sie, wo sie diese lauern sieht, scharf in’s Auge, und weicht geschickt ihrem Angriffe aus, um nicht in das Netz und Geflechte des gefährlichen Unthiers zu gerathen. Von ihrem Muth und ihren kriegerischen Tugenden soll statt meiner der erhabenste und beredteste aller Dichter, Homer, sprechen. Wenn Dieser einen seiner trefflichsten Helden loben will, so vergleicht er seine Kampfrüstigkeit nicht mit der eines Löwen, Panthers oder Ebers, sondern mit der unerschrockenen Kühnheit und unverdrossenen Beharrlichkeit

Empfohlene Zitierweise:
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. Stuttgart 1827–1832, Seite 1411. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_1411.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)