Seite:Lucians Werke 1423.jpg

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Kostbarkeit, aus gediegenem Golde, geziert mit geschnittenen Edelsteinen und Juwelen aller Art, zwischen welchen die Bilder der Musen, des Apollo und Orpheus in erhabener Arbeit angebracht waren. Man konnte sie wirklich nicht ohne Erstaunen betrachten.

9. Als der Tag des Wettstreites endlich gekommen war, traten außer ihm noch zwei Preisbewerber auf. Das Loos traf den Evangelus, als der Mittlere zwischen diesen Beiden zu singen. Nachdem also der erste, Thespis aus Theben, gesungen und sich sehr wacker gehalten hatte, tritt mein Tarentiner, strahlend von Gold, Smaragden, Beryllen, Hyacinthen, und in einem Gewande auf, dessen Purpurgrund sich zwischen der Goldstickerei prachtvoll ausnahm. Dieses Alles erfüllte die Zuschauer mit sprachlosem Erstaunen, und spannte die allgemeine Erwartung auf’s Höchste. Jetzt war der Augenblick da, sich hören zu lassen: er beginnt ein Vorspiel ohne alle Melodie und musikalische Verbindung, und reißt, weil er gleich zu derb drein fuhr, drei Saiten auf einmal ab. Jetzt hebt er auch zu singen an, aber so abscheulich und in so schneidenden Tönen, daß ein allgemeines Gelächter im ganzen Theater entstand, und die Preisrichter, empört über eine solche Unverschämtheit, ihn durchpeitschen und zum Theater hinauswerfen ließen. Das war denn ein ergötzliches Spektakel, wie der goldene Evangelus von den Polizeibedienten mitten über die Bühne geschleppt, und mit ihren Peitschen bis auf’s Blut um die Beine gehauen wurde, und wie er heulend die von seiner Zither, welche zugleich mit ihm Hiebe bekam, ausfallenden Edelsteine am Boden zusammenraffte!

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Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 1423. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_1423.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)