Seite:Lucians Werke 1424.jpg

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10. Nach einigen Augenblicken trat ein gewisser Eumelus aus Elis auf, eine alte Zither mit hölzernen Wirbeln in der Hand, und in einem Kleide, das sammt dem Kranze auf seinem Kopfe, kaum zehen Drachmen werth war. Allein Dieser sang so meisterhaft, und spielte so geschickt nach den Regeln seiner Kunst, daß ihm öffentlich der Sieg zuerkannt ward, und er nun den Evangelus auslachen konnte, der sich so viel auf seine Zither und seine Edelsteine eingebildet hatte. „Du, Evangelus,“ soll er zu Diesem gesagt haben, „trägst einen goldenen Lorbeer um’s Haupt, denn du bist ein reicher Mann; ich aber, ein armer Geselle, trage den Delphischen. Uebrigens hast du von all deinem Schmuck weiter Nichts, als daß du dich, statt das Mitleiden der Leute über deine Niederlage mit dir zu nehmen, durch einen Luxus, der gar nicht zur Kunst gehört, verhaßt gemacht hast.“ – Siehst du, diesem Evangelus gleichst du auf ein Haar, besonders auch in so fern du dir vor dem Gelächter der Zuschauer nicht im Geringsten bange seyn lässest.

11. Noch dürfte es ebenfalls nicht am unrechten Orte seyn, dir auch ein Lesbisches Mährchen aus alter Zeit zu erzählen. Als die Thrazischen Mänaden den Orpheus zerrissen hatten, warfen sie seinen Kopf und seine Lyra in den Hebrusstrom, der beide der schwarzen Bucht[1] zutrug. Der Kopf lag auf der Lyra, und sang Klagelieder um Orpheus, während die Winde in die Saiten der Lyra rauschten, und sie im Einklang mit jenen Liedern ertönen ließen: und so


  1. Der Hebrus, jetzt die Maritza, und unweit deren Mündung die schwarze Bucht, oder Bai von Saros.
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Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 1424. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_1424.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)