Seite:Lucians Werke 1436.jpg

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und ihrem Ausdruck, nicht aber in einem kostbaren und prächtigen Aeußern besteht.

29. Du aber glaubst, die Schande deiner Unwissenheit damit zu bedecken, daß du [der Menge] mit einer großen Büchersammlung imponierst, ohne zu merken, daß Dieß kein anderes Verfahren als das der ungeschicktesten Aerzte ist, welche elfenbeinerne Salbenbüchsen, silberne Schröpfköpfe, und reich mit Gold verzierte Messer führen, aber, wenn es darauf ankommt, sie zu gebrauchen, nicht einmal damit umzugehen wissen; während der Mann, der seine Sache gelernt hat, mit seiner wohlgespitzten Lanzette erscheint, die im Uebrigen so verrostet seyn mag, als sie will, und den Kranken leicht und sicher von seinen Schmerzen befreit. Oder – um eine possierlichere Vergleichung zu brauchen – betrachte einmal die Bartscheerer, und du wirst finden, daß die Geschickten unter ihnen mit einem guten Scheermesser, etlichen kleineren Schabmesserchen und einem Spiegelchen von verhältnißmäßiger Größe versehen sind, die Pfuscher dagegen eine Menge Messer und große Spiegel ausgekramt haben,[1] und dennoch sich sogleich verrathen, daß sie Nichts verstehen. Da ist es denn lustig zu sehen, wie diese Leute das eigene Mißgeschick haben, daß man sich gewöhnlich erst bei’m Nachbar rasiren läßt, und sodann kommt und vor einen der großen Spiegel tritt, um seine Haare in Ordnung zu bringen.

30. Auch du könntest deine Bücher, die du selbst nicht zu gebrauchen verstehst, wenigstens Andern borgen, die dich darum bäten. Allein noch nie hast du Jemanden ein Buch geliehen: du gleichst hierin ganz dem Hunde, der sich in die Krippe auf die Gerste legte, die er selbst nicht fraß, aber auch dem Pferde nicht gönnte, das sie hätte fressen können.

Dieß ist’s, was ich für dießmal wegen deiner Bücher in aller Freimüthigkeit mit dir sprechen wollte. Von den andern Schändlichkeiten, die du dir erlaubst, sollst du ein andermal, und mehr als einmal, zu hören bekommen.


  1. Die außen vor den Barbierbuden hingen.
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Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 1436. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_1436.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)