Seite:Lucians Werke 1450.jpg

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13. Ob man ihre Verläumdung glaubwürdig finde, überlassen sie natürlich nicht dem Zufalle; sondern ihr ganzes Dichten und Trachten muß darauf gerichtet seyn, ihrem Opfer Etwas anzuhängen, was nicht ungereimt und widersprechend erscheinen könnte. Am meisten wissen sie daher ihren Beschuldigungen dadurch Wahrscheinlichkeit zu geben, daß sie die Eigenschaften des Verläumdeten in’s Schlimmere verdrehen, indem sie z. B. einen Arzt der Giftmischerei, einen Reichen herrschsüchtiger Absichten, einen Diener des Alleinherrschers der Verrätherei beschuldigen.

14. Nicht selten gibt der Mann selbst, bei welchem die Verläumdung angebracht werden soll, den Anlaß[1] dazu an die Hand; und je besser sich solche Schlechtdenkende nach dem Charakter desselben zu richten wissen, desto glücklicher treffen sie zum Ziele. Wissen sie z. B., daß er eifersüchtig ist, so sagen sie: „Der und Der hat deiner Gemahlin über der Tafel zugewinkt, und seine Blicke mit Seufzern begleitet. Auch schien es, als ob Stratonice ihn gar nicht finster, sondern mit recht verliebten Augen ansähe.“ Und nun folgen einige Geschichtchen zum Beweise, daß er auch sonst ein Ehebrecher sey. Oder der Mann ist ein Dichterling, und weiß sich viel mit seinen Versen; gleich heißt es: „es ist doch himmelschreiend: Philoxenus hat lachend deine Gedichte durchgehechelt und behauptet, sie seyen zusammengestoppeltes Zeug ohne Rhythmus und Wohlklang.“ Ist er aber ein frommer und gottesfürchtiger Mann, so wird sein Günstling, bei ihm als Atheist und Religionsverächter angeschwärzt, der von


  1. Nach der Vermuthung ἀφορμάς.
Empfohlene Zitierweise:
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 1450. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_1450.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)