Seite:Lucians Werke 1515.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

könnte man undankbar seyn, wenn man die größten Wohlthaten empfangen hat? Wenn man schon gegen Einzelne, von welchen man Gutes genossen, sich erkenntlich beweist, wie es recht und billig ist, so hat die Vaterstadt noch weit größeren Anspruch, daß wir ihr mit angemessenem Danke vergelten. Die Staaten haben Strafgesetze gegen Diejenigen, welche sich an ihren Eltern verfehlen: aber unser Aller Mutter ist die Vaterstadt, und ihr haben wir den Dank zu bezahlen, daß sie uns erzog und uns ihre Gesetze kennen lernen ließ.

8. Noch habe ich Keinen gefunden, der seiner Vaterstadt so ganz uneingedenk gewesen wäre, daß er in einer fremden sich ihrer nie erinnert hätte. Wem es schlecht geht in der Fremde, sagt immer, das beste Gut sey doch die Heimath. Und auch die Glücklichen, so sehr ihnen Alles nach Wunsch geht, meinen doch, das Wichtigste fehle noch zu ihrem Glück, daß sie nicht in der Vaterstadt, sondern in der Fremde leben sollen. Es ist immer etwas Gehässiges in diesem Wort. Und so sehen wir denn, daß Männer, welche im Auslande durch Gelderwerb, oder durch ansehnliche Staatsämter, oder durch den Ruf ihrer Gelehrsamkeit oder auch durch rühmliche Kriegsthaten zu Glanz und Ehren gekommen sind, mit großem Verlangen ihre Vaterstädte wieder aufsuchen, als ob es kein Ort besser verdiente, ihm ihr Glück zu zeigen. Und dieses Verlangen ist bei Jedem um so größer, je höherer Ehren er anderwärts gewürdigt worden.

9. So groß auch schon bei jungen Leuten die Anhänglichkeit an die Vaterstadt ist, so zeigt sie sich doch bei älteren Personen in demselben Verhältnisse stärker, in welchem

Empfohlene Zitierweise:
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 1515. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_1515.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)