Seite:Lucians Werke 1516.jpg

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ihr Verstand und ihre Einsicht gereifter ist, als bei jenen. Jeder zu höheren Jahren Gekommene wird mit Verlangen darauf bedacht seyn, sein Leben in der Vaterstadt, wo es begonnen, auch zu beschließen, seine Ueberreste dem Boden anzuvertrauen, der ihn ernährt hatte, und unter den Gräbern seiner Väter seinen Platz einzunehmen. Und Jedem bangt wohl vor dem Gedanken, vom Tode in der Fremde betroffen zu werden, und in fremder Erde begraben zu liegen.

10. Wie stark diese Liebe zur Heimath ist, welche allen ächten Bürgern inwohnt, läßt sich aus dem Unterschiede zwischen den Eingebornen und den Eingewanderten entnehmen. Diese Letztern, gleichsam nur die unächten Kinder, welche keine eigentliche Vaterstadt kennen und keine lieben, verändern mit Leichtigkeit wieder ihren Wohnsitz. Indem sie nur die Genüsse des Bauches zum Maßstabe ihrer Glückseligkeit machen, glauben sie überall zu finden, was sie brauchen. Wer aber in der Vaterstadt seine Mutter sieht, liebt den Boden, auf welchem er geboren und erzogen worden; und ob er beschränkt, rauh und karg sey, ob sich auch noch so wenige Vorzüge von ihm rühmen lassen, doch wird er nie um das Lob seiner Vaterstadt verlegen seyn. Mögen auch Andere sich viel wissen mit ihren reichen Fruchtgefilden, ihren mit Gewächsen aller Art bepflanzten Garten und Auen: auch er wird nicht vergessen, was er von seiner Heimath zu rühmen hat. Ist sie auch nicht die „rossenährende,“

– nähret sie doch frischblühende Männer –.[1]


  1. Ulysses von Ithaca Odyss. IX, 27. Auch das Folgende ist Anspielung auf Denselben. S: Odyss. V, 203–224. I, 38.
Empfohlene Zitierweise:
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 1516. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_1516.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)