Seite:Lucians Werke 1527.jpg

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ausgeworfen haben; auch darf man sein Getreide nicht schneiden, so lange es noch grün ist, oder man wird taube Aehren finden. Eben so braucht man keinen Propheten, um zu wissen, daß, wenn man seine Aussaat nicht mit der Egge zudecken läßt, die Vögel herzufliegen, und den ganzen gehofften Ertrag vorweg fressen werden.

8. Wer dergleichen Vorschriften und Warnungen ertheilt, kann sich freilich nicht irren, ist aber noch weit vom eigentlichen Propheten entfernt, dessen Sache es ist, gänzlich verborgene und nicht zu errathende Dinge voraus zu wissen, und z. B. dem Minos zu verkündigen, daß sein Sohn in der Honigtonne ersticken werde, oder den Achäern die Ursache vom Zorne des Apollo voraus anzudeuten, und ihnen zu sagen, daß Ilium im zehenten Jahre in ihre Hände fallen werde. Das nenne ich Weissagen. Wer hingegen Aussprüche, wie die obigen, dahin rechnet, wird nicht umhin können, auch mich für einen Propheten zu erklären, wenn ich, wiewohl ohne Kastalischen Trunk, ohne Lorber und Delphischen Dreifuß, folgendermaßen orakle und prophezeihe: „Wenn Einer bei kaltem Wetter, unter Regen, Schnee und Hagel nackt spazieren geht, so wird er von einem nicht geringen Fieberfrost befallen werden, und nach diesem wird sich unfehlbar eine starke Hitze einstellen – und was dergleichen Wunderdinge mehr sind.“

9. Kurz also, verzichte darauf, dich auf diese Art zu rechtfertigen und ein Prophet seyn zu wollen. Am ehesten noch ließe sich annehmen, was du Anfangs sagtest, daß du selbst nicht wüßtest, was du singest, sondern daß eine göttliche

Empfohlene Zitierweise:
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 1527. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_1527.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)