Seite:Lucians Werke 1606.jpg

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Leontichus. Du hast mich nicht zu fürchten, gute Hymnis. Alles dieß ist ja nur in Paphlagonien vorgegangen; und jetzt bin ich lammfromm.

Hymnis. Nein, du bist ein mit Mord besudelter Mensch: noch ist mir, als sehe ich das Blut von dem Haupte des Barbaren, das du auf deinem Spieße trugst, über dich herab träufeln: und einen solchen Mann sollte ich umarmen und küssen? Bei den Grazien, das sey ferne! Du bist um nichts besser als ein Henkersknecht.

Leontichus. O hättest du mich nur in meiner Rüstung gesehen! Ich weiß gewiß, du hättest dich in mich verliebt.

Hymnis. Und doch wird mir übel, schon bei der bloßen Erzählung: es überläuft mich kalt: ich glaube die Gespenster der Ermordeten wie Schatten vor mir zu sehen, besonders das des armen Hauptmanns, dem du den Schädel entzwei hiebst. Wenn ich nun vollends die blutige Arbeit selbst, und die umherliegenden Leichen mit angesehen hätte, glaube mir, ich hätte den Tod davon gehabt. Denn ich kann nie dabei seyn, wenn auch nur ein Hühnchen umgebracht wird.

Leontichus. Wie, Hymnis, so feigherzig und verzagt? Dachte ich doch, mit meiner Erzählung dir Vergnügen zu machen.

Hymnis. Mit solchen Geschichten magst du Lemnierinnen und Danaïden[1] ergötzen, wenn du welche findest. Ich gehe wieder zu meiner Mutter, so lange es noch Tag ist.


  1. Vgl. Apollodor I, 9, 17. und II, 1, 5.
Empfohlene Zitierweise:
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 1606. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_1606.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)