Seite:Lucians Werke 1730.jpg

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Etwas, was ihm nie werden kann; denn er liebt mein Weib, das ich nicht von mir lassen werde.“ Also redete der Arzt klüglich die Unwahrheit. Da bat der König flehentlich, und beschwor ihn bei seiner Kunst und seiner Weisheit, ihm seinen Sohn nicht umkommen zu lassen. „Er hat sich ja“, sprach er „nicht freiwillig in diese Leidenschaft gestürzt; es ist eine Krankheit, die ihn unwillkürlich befallen. Wolle darum nicht aus Eifersucht das ganze Königreich in Trauer versetzen; und lasse, da du Arzt bist, nicht die Schuld einer Tödtung auf dich und deine Kunst kommen.“ So bat der Vater in seinem Irrthume. Der Arzt aber entgegnete: „Es ist ein unfeines Bemühen, meine eheliche Hausfrau mir entziehen zu wollen, und einem Arzte solcherlei Gewalt anzuthun. Was würdest du sagen, wenn er nach deiner eigenen Gemahlin Verlangen trüge, der du Solches von mir begehrest?“ Er aber antwortete darauf, daß ihm in diesem Falle auch sein eigen Weib nicht zu lieb wäre, und daß er dem Sohne seine Genesung auch dann nicht mißgönnen würde, wenn er der Stiefmutter begehrte. Denn es sey nicht einerlei Unglück, eine Gemahlin oder einen Sohn zu verlieren. Wie der Arzt diese Worte gehört, sprach er: „Nun denn, so tadle nicht mich. Nach Deinem Weibe verlangt ihn, und was ich gesagt, ist nicht die Wahrheit.“ Der König aber that also, und überließ dem Sohne sein Weib und sein Königreich. Er selbst ging nach Babylonien, und erbaute eine Stadt am Euphrat und nannte sie nach seinem Namen [Seleucia], allwo er auch sein Ende fand. Auf solche Weise hatte der Arzt die Liebeskrankheit erkannt und geheilt.

Empfohlene Zitierweise:
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 1730. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_1730.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)